Mo. Apr 15th, 2024

    Krebs mit Snare (gif)

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    Dass ich eines Tages Schlagzeug zu spielen gedächte, entwickelte sich meiner Erinnerung nach in den Siebzigern per Zufall. Ein kleiner zwergwüchsiger Italiener namens Silvio A. aus meiner Schule, dessen Vater Jazzschlagzeuger in einer kleinen Big Band war, spielte dabei eine Rolle. Silvio bekam schon früh Unterricht vom Vater und rudimentierte auf Drums, dass es einem bereits schwindlig wurde. Ich selbst war von Charlies Wohlwollen abhängig und ihm süchtig verfallen. Charlie war Schlagzeuger der Berliner Band GOYA, spielte ein „red sparkle“ Sonor-Schlagzeug mit zwei Bassdrums. Es war schätzungsweise 1976/1977, die Zeit der großen Schlagzeuge. Charlie hatte eine große PA (power amplifier, Verstärkeranlage) im Raum, schwarz, fett, massiv. Er selbst übte die ganz vertrackten Sachen: Thick As A Brick (Jethro Tull), Genesis, was man als Chippie (Kofferwort aus Charlie und Hippie) eben so spielt. Kein Takt wie der andere.

    Sonor Force 2000
    Sonor Force 2000

    Ich selbst hatte inzwischen Pink Floyd fest im Griff und eins der musikalischen Königskinder meines früh-schlagwerkerischen Ausprobierens war „Shine On You Crazy Diamond“ und überhaupt Wish You Were Here, ungleich schwieriger als 5/4 das Stück „Money“ von The Dark Side Of The Moon. Eine ungarische Band namens OMEGA war fest in meinen Übeplan integriert, die LP Time Robber. Genau so war Schlagzeug spielen: Zeit raubend, allerdings nicht nutzlos.

    Um ein erstes eigenes Schlagzeug anzuschaffen, bedurfte es anders als heute einer fest verfolgten seidenroten Zielverfolgung: Alles hing zu jeder Zeit am seidenen Faden. Vor allem das Ziel. Ein Schlagzeug, ein eigenes Schlagzeug, eine der größten denkbaren Anschaffungen des jugendlichen Lebens. Thomann existierte noch nicht, Taiwan, China und Singapur kamen als Musikinstrumentehersteller nicht in Frage. Deutschland (Sonor), Amerika (Ludwig) und Japan (Tama) waren best seller.

    Ich bügelte auf einer Dampfpresse Hosen mit Bügelfalten im Geschäft meiner Mutter. Stundenlohn: 4,- DM. Irgendwann –im Schweiße meines Arbeitsplatzes an der Dampfpresse- hatte ich mir rund 1.000 DM erbügelt. Deutschland, Amerika und Japan, nahes Land so fern. Ich ergatterte etwas englisches, sagen wir B-Kategorie: „Olympic“. Das Drumset war ziemlich fertig, Trashcan. Modern hat es sein sollen. Ich erwarb richtige Goldfolie von „D C Fix“ auf Rollen und verkleidete die Kessel, ohne handwerklich allzu geschickt vorzugehen, die Stimmböckchen schraubte ich nicht ab, sondern schnitt die Folien mit einem Teppichmesser zurecht. Die Folie schlug Blasen und bildete Luftlocheinschlüsse, die man mit Stecknadeln anpiekste, um die Luft herauszudrücken. Auf der Bassdrum gelang einfach gar nichts. Die Goldfolie verdrehte sich ineinander und schlug große Falten. Ich gedachte der Gary Glitter-Band und machte aus der Not die Tugend: Das ist Absicht, das muss so sein. So erklärt man abwegige Kunst.

    Mein Drumset ein Faltenrock.

    Die Becken waren unschönes Zeug. Am besten: Ich hatte jetzt eine richtige Charleston-Maschine. Diesen Ausdruck hörte ich das erste Mal von Charlie, der immer rege von der Möglichkeit Gebrauch machte, mich in der Benutzung der Charlestonmaschine zu unterweisen. Schwapp du wapp zisch.

    Erst Jahre später gewöhnte ich mich um. Die Charlestonmaschine wurde nach und nach zur Hihat. Diesen neuen Begriff erlernte ich erst später. Denn inzwischen war Charleston definitiv aus der Mode. Inzwischen spiele ich übrigens mehr Jazz. Und gar nicht auszuschließen, eines Tages werde ich dann Charleston…, doch wer weiß?

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